Sonntag, 19. Juni: Kein Diesel und die Fahrt ans Meer

Wir stehen heute später auf und machen uns erst um 8:30 Uhr ohne Frühstück auf den Weg von Sesriem nach Norden. Erst 12 km auf der C27 und dann 71 km auf der C19 zum Solitaire Shop und der Caltex Tankstelle. An den Zapfsäulen angekommen wollen wir volltanken. Der Tankwart teilt uns mit, dass Diesel leider aus sei. Wir sind einigermaßen überrascht, da diese Tankstelle sehr bekannt ist und bestimmt viele Vorbeikommende auf sie bauen. Hätten wir das vorher gewusst, hätten wir in Sesriem getankt. Ein Glück haben wir einen Doppeltank mit 140 l Volumen und 1200 km Reichweite, der jetzt gerade halbleer ist. Bis Walvis Bay kommt nämlich jetzt keine Tankstelle mehr. Das sind aber nur rund 230 km, also kein Problem. Mit nur einfachem Tank wird Namibia wirklich zur Herausforderung. Wir gehen wenigstens zur Bäckerei nebenan, deren Apfelstreuselkuchen Kultstatus erreicht hat. Wir nehmen zusammen mit 5000 Webervögeln, Glanzstaren und Kaphörnchen unser Frühstück zu uns und machen uns dann auf den Weg nach Walvis Bay.

Kurz nach Solitaire stoßen wir auf die C14 und folgen ihr weiter nach Norden. Nach 53 km folgt man einige Kurven 70 m hinab zum Gaub-Fluss. Eine nach außen überhöhte Brücke quert den noch Wasser führenden Fluss und auf der anderen Seite klettert man wieder über ein paar Kurven zurück auf 820 m über dem Meer. Kurz danach überqueren wir zum zweiten Mal auf dieser Reise den Wendekreis des Steinbocks. Nach 17 km kommt der Abzweig der C26 nach Osten in Richtung Gamsbergpass und Windhoek. Wir bleiben aber auf der C14, die ab hier wirklich miserabel wird. Außerdem ändert sich die Landschaft. Sie sieht aus wie eine riesengroße, überdimensionierte Buckelpiste. Ursache dafür ist das weitreichende Einzugsgebiet des Kuiseb-Flusses, der die Landschaft hier zerfurcht hat. Wie zur Wiedergutmachung der schlechten Straßenbedingungen tauchen kurze Asphaltabschnitte auf, die sich aber schnell wieder in Schotterpads verwandeln. Rund 15 km nach der Abzweigung der C26 erreicht man den Kuiseb-Pass, der mit 902 m Höhe nicht gerade die Landschaft überragt. Man hat allerdings vom oberhalb der Straße gelegenen Aussichtspunkt einen sehr schönen Blick auf die zerfurchte Umgebung und den noch ordentlich wasserführenden Kuiseb. Nur 1,5 km später ist man unten am Fluss auf 760 m. Wir fahren von der Straße ab ins sandige Flussbett und parken etwas stromaufwärts für eine kleine Mittagspause. Der breite Kuiseb lädt dazu ein, sich die Füße abzukühlen. Gegen 12:30 Uhr machen wir uns weiter auf den Weg nach Westen.

Der Flusslauf des Kuiseb war zunächst die letzte bemerkenswerte Landmarke auf der Strecke. Ab jetzt fahren wir die nächsten gut 130 km aus dem Einzugsgebiet des Flusses hinaus. Die Landschaft wird flach, ist anfangs noch mit Gras bewachsen, aber wandelt sich dann innerhalb der nächsten Kilometer in eine öde Geröllwüste. 50 km vor Walvis Bay bietet der 527 m hohe Vogelfederberg, im Grunde eine riesige Felsenformation auf der Geröllebene, etwas Abwechslung. Ansonsten ist die Landschaft extrem monoton. Am Horizont im Süden sieht man Anzeichen für Bergbauaktivitäten. Nördlich der Straße, noch jenseits der C28 liegt das größte Urantagebaugebiet der Welt – die Rössing-Mine. Durch den enormen Wasserverbrauch dieser Mine werden die Flüsse im weiten Umkreis angezapft, was nicht gerade dazu beiträgt, die Gegend lebensfreundlicher zu machen. Ein großes Problem dieser Strecke für Touristen mit Mietwagen sind die häufiger auftretenden Staub- und Sandstürme, die beträchtliche Schäden an den Scheinwerfergläsern und dem Lack anrichten können. Weiter nördlich der Straße wird die Luft leicht bräunlich, was nicht gerade beruhigend ist.

Wir kommen schließlich gegen 14 Uhr ohne weitere Blessuren in Walvis Bay an und wollen uns in der Lagune südlich der Stadt die große Kolonie der Rosa- und Zwergflamingos anschauen. Sie gehört zu den größten des südlichen Afrika. Leider ist die Lagune völlig leer. Außer ein paar Möwen sind keine Vögel zu sehen. Wir fahren weiter bis zur Salzgewinnungsanlage und kommen an rötlichen und rosa Verdunstungsbecken vorbei, bis es vor den Eingangstoren zum riesigen Komplex nicht weiter geht. Hier werden 90 % des südafrikanischen Salzbedarfs produziert. Es liegt hier in vielen gut 10 m hohen, strahlendweißen Spitzkegeln aufgehäuft herum. Wir kehren um und fahren zurück zur, auch nach europäischen Maßstäben, sehr mondänen Uferpromenade Esplanade. Hier steht entlang des langgestreckten Bogens der Walvis Bay Lagoon eine Designervilla neben der nächsten. Walvis Bay ist eine wohlhabende Stadt. Dazu trägt neben dem Bergbau auch der immer weiter ausgebaute Hafen bei. Wir machen einen Tankstopp und fahren auf der von Palmen flankierten B2 aus der Stadt hinaus entlang der Küste nach Norden.

Gleich außerhalb der Stadt befinden sich vor der Küste die hölzernen Guanoplattformen, auf der hunderte von Seevögeln, vor allem Kormorane und Rosapelikane nisten und tonnenweise Guano produzieren, der kommerziell verwertet wird. Wenn man das Auto verlässt, riecht man die Plattformen sprichwörtlich 100 Meter gegen den Wind. Dafür kann man wunderbar die großen Pelikane mit dem Fernglas beobachten.

Die B2 führt direkt am Meer entlang nach Swakopmund. Sie ist berüchtigt für ihre vielen Unfälle, vor allem nachts, wenn alkoholisierte Fahrer versuchen, einen neuen Rekord für die Strecke Walvis Bay–Swakopmund aufzustellen. Durch unseren Halt bei den Pelikanen ist unser Rekordversuch sowieso dahin. Also halten wir kurz vor Swakopmund noch einmal am Strand und werfen einen Blick auf den Atlantik. Etwas weiter den Strand entlang gehen zwei junge Frauen laut kreischend ins Wasser. Das ist mutig – der Atlantik hat hier nie mehr als 16 °C. Der Benguelastrom bringt kaltes Wasser direkt aus der Antarktis. Außerdem herrscht gerade ein ordentlicher Sog vom Strand aufs Meer hinaus.

Wir fahren über den Swakop nach Swakopmund hinein und machen eine kurze Stadtrundfahrt. Wir kommen am alten Amtsgericht von 1906 vorbei und dem alten Leuchtturm von 1902 mit seiner klassischen rot-weißen Bänderung. Die Stadt ist sehr klein. Die Wege sind wirklich minimal. Anders als erwartet präsentiert sich Swakopmund bei schönstem Wetter. Nach unserer Erfahrung in Lüderitz hatten wir hier erst recht mit dem typischen Swakopmunder Nebel gerechnet. Aber das Wetter scheint dieses Jahr wirklich speziell zu sein.

In kaum einer anderen Stadt in Namibia ist so viel vom deutschen Einfluss auch heute noch zu spüren. An jeder Ecke findet man Zeugnisse der Kolonialvergangenheit wie alte Gebäude, Geschäfte mit der Aufschrift „Bäckerei“, „Buchhandlung“ oder „Apotheke“ und auch den höchsten Anteil deutschsprachiger Einwohner im ganzen Land. Noch rund 10 % sind deutscher Abstammung.

Wir fahren in den Norden der Stadt zum Beach Lodge Hotel. Es liegt direkt am Strand und erinnert in seiner Form an ein Schiff. Wider Erwarten ist innerhalb des bewachten, engen Innenbereichs noch Platz für unseren doch recht sperrigen Geländewagen. Wir werden sehr freundlich empfangen und zu unserem Zimmer mit Meerblick geführt. Und was für ein Blick das ist! Es hat zum Balkon in Richtung Meer hin bodentiefe Bullaugenfenster, die einen tollen Ausblick auf die untergehende Sonne bieten und auch von unserer Badewanne aus im großen Badezimmer können wir auf das Meer blicken. Im Hotel erfahren wir, dass der von uns für den nächsten Tag geplante Rundflug vielleicht doch keine so gute Idee ist. Die Reiseveranstalter und Hotels in der Stadt buchen bei dem von uns ausgewählten Anbieter kaum mehr, weil die letzten Abstürze allein auf dessen Konto gehen. Das ist uns dann doch ein wenig zu heiß und wir sagen unsere Reservierung für den kommenden Tag ab. Ohnehin war es noch unklar, ob wir überhaupt hätten fliegen wollen, weil außer uns noch niemand zugesagt hatte. Die Kosten für den Rundflug berechnen sich nicht pro Person sondern pro Flug. Wenn die Cessna mit den maximalen fünf Personen gefüllt ist, teilen sich diese den Betrag. Zu zweit hätten wir die Gesamtkosten für den Flug allein tragen müssen, wozu wir in Anbetracht von über 1000 € für 2½ Stunden nicht bereit waren. An der Rezeption schildern wir unser Problem und dort bemüht man sich um einen Ersatzflug für uns. Aber auch bei den anderen Anbietern in der Stadt scheint sich niemand außer uns für einen Flug über die Namibwüste, Sossusvlei und die Atlantikküste mit seinen Schiffswracks zu interessieren. Es ist eben doch noch Nebensaison in Namibia. Das merkt man auch daran, dass sich nur wenig Touristen in die Stadt verirren. Vielleicht sieht die Situation morgen besser aus. Bis 13 Uhr sollte sich jemand finden, denn gegen 14 Uhr bricht man zum Flugplatz auf.

Die Hotelrezeption reserviert uns einen Tisch im Lighthouse Restaurant und nachdem wir einem fantastischen Sonnenuntergang auf unserem Balkon zugeschaut haben, fahren wir in die Stadt zurück. Wir hatten damit gerechnet, im alten Leuchtturm essen zu gehen. Dort befindet sich ein italienisches Restaurant, was für uns in Ordnung gewesen wäre. Wir sind jetzt aber auf das Lighthouse Restaurant gebucht, das sich unterhalb des richtigen Turms direkt am Strand befindet und einen sehr guten Ruf hat. Das Essen dort ist gut, nur unsere Tischnachbarn sind von ausgesuchter Unverschämtheit. Es handelt sich um ein älteres, weißes Ehepaar in Motorradkluft und das Mobiltelefon der Frau empfängt geschätzt alle zwei Minuten eine SMS mit dem Tonsignal auf voller Lautstärke. Unsere Bitte, das Telefon auf lautlos oder zumindest leiser zu stellen, wird schlicht ignoriert. Meine Frage, ob ihnen Höflichkeit und Rücksicht etwas sagen, wird bejaht, aber nicht weiter umgesetzt. Schade, so bleibt dieser Abend in etwas fader Erinnerung. Da ich mir recht sicher bin, von ihnen Afrikaans gehört zu haben, nehme ich zugunsten der Swakopmunder an, dass es keine Einheimischen, sondern Südafrikaner sind. Die Portionen in diesem Restaurant sind so groß, dass es anscheinend üblich ist, sich ein Doggy Bag machen zu lassen. Jedenfalls lassen sich viele Gäste an den übrigen Tischen das Essen einpacken und so tun wir es ihnen gleich.