Dienstag, 14. Juni: Timing

Wir stehen früh auf und fahren um 7:30 Uhr weiter nach Westen. Nach rund 15 Minuten oder 20 km kommt rechts der Abzweig nach Garub. Man fühlt sich etwas komisch, an dieser Stelle die Hauptstraße zu verlassen. Im Grunde ist nach wie vor beiderseits der Straße Diamantensperrgebiet. In Garub ist es aber erlaubt, die Straße zu verlassen. Als wir den Parkplatz erreichen, kommen gerade die ersten Pferde an das Wasserloch. Pünktlich um 8 Uhr – sehr anständig. Die Tiere sind etwas kleiner als ihre Verwandten wie etwa die Mustangs in den USA. Sie sind an die trockenen Bedingungen der Wüste angepasst. Man geht heute davon aus, dass sie vor über 100 Jahren von der deutschen Schutztruppe hierher gebracht wurden und dann im Laufe der Auseinandersetzung mit Südafrika im ersten Weltkrieg zurückgelassen wurden. Seitdem haben es die Tiere geschafft, sich an das trockene Klima anzupassen. Allerdings kam ihnen auch entgegen, dass in den Bergen von Aus viele natürliche Quellen existieren. Außerdem gab es bei Garub einen künstlichen Brunnen, der genutzt wurde, um Dampfmaschinen zu betreiben, die beim Eisenbahnbau und den Diamantenminen benutzt wurden.

Als wir zu dem kleinen Unterstand in der Nähe des Wasserlochs gehen, kommen immer mehr Pferde aus der Umgebung. Sie sind überhaupt nicht ängstlich und zeigen des Öfteren ihre klassische Pose, die zum Logo der Klein-Aus Vista Lodge geworden ist: das gegenüberstehende Aufsteigen mit den Vorderhufen. Ein tolles Bild voller Eleganz und Kraft. Sie kommen so nahe an den Unterstand, dass man sie vorsichtig anfassen kann. Aber so, dass sie es nicht sofort merken. Schließlich laufen sie sogar über den Parkplatz, sodass wir nahe an ihnen vorbei müssen, um zurück zum Auto zu kommen.

Zurück auf der B4 kommen wir an ganzen Feldern voller rosa blühenden Buschmannkerzen vorbei. Ein besonderes Bild in der ansonsten sehr kargen Wüste. Die Pflanzen enthalten so viel Wachs, dass diese früher als lang brennende „Kerzen“ benutzt werden konnten. Je näher wir der Küste kommen, desto mehr Wolken tauchen auf, bis wir schließlich in eine Nebelwand hineinfahren. So ein Mist! Klein-Aus liegt noch auf rund 1400 Metern. Weiter unten branden Wolken vom Atlantik her an das Festland.

Bei nebligem, sehr feuchten Wetter kommen wir in Lüderitz am Meer an. Die Stadt liegt sehr schön an einer Bucht und hat ein sehr schönes, altes Stadtzentrum. Bei Nebel wirkt es aber sehr trist. Wir gehen zu Lüderitz Tours & Safaris in der Bismarck Straße und kaufen die Tickets für Kolmanskop, die man aber inzwischen auch direkt vor Ort bekommt. Die freundliche Dame erklärt uns auf Nachfrage, dass dieser Nebel für Lüderitz sehr ungewöhnlich sei – „wir sind ja nicht Swakopmund …“. Es sei aber nicht absehbar, dass es in den nächsten Tagen besser werde. Wir fahren die rund 10 km zurück nach Kolmanskop und kommen gerade rechtzeitig zur zweiten Führung des Tages um 11 Uhr über das Gelände.

Beim Bau der Eisenbahn von und nach Lüderitz an der Küste fand ein Arbeiter hier 1908 einen funkelnden Stein. Darauf setzte der Diamantenrausch ein und keine zwei Jahre später war Kolmanskop entstanden, eine kleine Stadt mitten in der Sandwüste. Anfangs konnten die Arbeiter die Diamanten einfach oberflächlich aus dem Wüstensand aufheben und einsammeln. Später wurde dann begonnen, unterirdisch zu graben, was auch heute noch direkt neben der Geisterstadt getan wird.

Während der einstündigen Tour bekommen wir exklusive Wohnhäuser, eine Ladenzeile mit Eisfabrik, Schlachterei und Krämerladen zu sehen, außerdem ein Kasino mit Kegelbahn und eine Mehrzweckhalle mit Sportgeräten. Anschließend dürfen wir uns frei auf dem Gelände bewegen und weitere Wohnhäuser des Arztes, Architekten oder Buchhalters besichtigen. Zum Ort gehörte auch ein gut ausgestattetes, großes Krankenhaus. Heute hat sich die Wüste das Gebiet zurückgeholt. Die Häuser wurden von den Sanddünen förmlich überrollt. In vielen Gebäuden häuft sich der Sand in den Zimmerecken.

Das Wetter hat zwischendurch ein Einsehen und klart auf. Kurze Zeit später kommen aber neue Wolken und tauchen die Geisterstadt in trübes Licht. Wir fahren zurück nach Lüderitz und besuchen hier die südlich gelegene Lüderitz-Halbinsel mit dem Diazpoint. Auf einer durch den Nebel schmierigen Schotterpiste geht es immer entlang von Buchten hinaus zum Leuchtturm, der nicht nur leuchtet, sondern auch ohrenbetäubend laute Hornsignale abgibt. Wir sind in Anbetracht des Wetters die einzigen Besucher weit und breit, steigen kurz über den morschen Steg hinüber zum kleinen vorgelagerten Aussichtspunkt mit Blick hinüber zur Robbenkolonie auf einer vorgelagerten Insel. Dann fahren wir zur weiter südlich gelegenen Guano Bay und finden dort trotz trüben Wetters ein Küstenidyll vor, dass sich einem allerdings erst auf den zweiten Blick erschließt. Eine kleine Gruppe Flamingos macht den Anfang, dann entdecken wir erst einen, dann immer mehr Austernfischer mit ihren charakteristischen roten Schnäbeln und viele weitere große und kleine Wattvögel. Dann taucht wie aus dem Nichts ein Schakal am Strand auf und macht sich auf die Pirsch. Wir folgen ihm und entdecken einen zweiten. Beide sind wenig scheu und einer kommt uns entgegen. Mit gegenseitigen Respekt passieren wir uns vorsichtig mit 5 m Abstand und er geht zurück zur Stelle, wo wir ihn zuerst gesehen hatten. Dort verschwindet er in einem bewachsenen Sandhügel unmittelbar neben der Piste, wo unser Auto am Rand parkt. Dort muss sein Bau sein und deshalb konnte er so unvermittelt auftauchen.

Wir machen einen Bogen um die Stelle, um ihn nicht weiter zu stressen, und fahren zurück nach Lüderitz in die Stadt. Ganz knapp verpassen wir die Öffnungszeit für das extravagante Goerke-Haus (unter der Woche bis 16 Uhr). Hier lebte der Schutztruppen-Leutnant und späterer Manager von Diamantenminen bis 1912. Das Haus wurde von der Minengesellschaft CDM gekauft, restauriert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wie in anderen Städten Namibias findet man auch hier überall Zeugnisse deutscher Vergangenheit, etwa die Turnhalle des Männerturnvereins oder der Konzert- und Ballsaal von 1907.

Nach einem kurzen Rundgang durch das sehr überschaubare Stadtzentrum gehen wir zum Abendessen ins Ritzi’s Seafood Restaurant. Das Essen des vielgelobten Restaurants finden wir in Ordnung, aber eher durchschnittlich.

Zur Übernachtung fahren wir hinaus auf die Shark Island Halbinsel zum Campingplatz der Namibia Wildlife Resorts (NWR). Trotz des üblen Wetters bleiben wir beim Camping im Dachzelt. Bei der Reservierung von zu Hause aus hatte ich übersehen, dass man sich auch in den kleinen Leuchtturm nebenan hätte einmieten können. Das wäre mit Sicherheit eine lohnende Alternative gewesen.