Donnerstag, 23. Juni: Wüstenelefanten, Aussteiger und eine ganz ungewöhnliche Sichtung

Für heute haben wir die Damaraland Wildlife Excursion gebucht. Dafür heißt es wieder früh aufstehen. Um 6 Uhr treffen wir Mervin vor dem Eingang zur Lodge. Mit ihm werden wir den Tag im Konzessionsgebiet von Palmwag verbringen. Ein riesiger Teil Namibias ist in privates Farmland aufgeteilt. Aber vor allem im westlichen Teil gibt es auch einige staatlichen Gebiete, vor allem Naturparks und Schutzgebiete. Diese wiederum werden zum Teil über Konzessionen an private Verwalter für einen festgelegten Zeitraum zur kontrollierten touristischen Nutzung übergeben. Das Gebiet von Palmwag ist 4500 km² groß und erstreckt sich vom Uniab River im Süden bis zum Aub Canyon im Norden beiderseits der M128.

Es ist noch ordentlich kalt, maximal 10 °C, da wird es auf dem offenen Jeep schon frisch. Mervin hat aber außer Verpflegung auch Decken mitgebracht. Er ist auch noch recht müde um diese Uhrzeit. Wir fahren erst ein Stück die M128 entlang bis zum Eingangstor der Palmwag Day Visitors Area. Unterwegs sehen wir schon den ersten frischen Elefantendung und Mervins Jagdinstinkt erwacht. Wir machen einen ersten Ausflug in den Busch, ohne jedoch Elefanten zu finden. Am Eingangstor erzählt der Parkwächter, dass vor etwa 15 Minuten Löwen in der Nähe waren. Wieder machen wir uns auf in den Busch, fahren über Stock und Stein ohne die Tiere zu finden. Dafür sieht Mervin in der Ferne einen Elefanten und wir fahren zurück zur M128, um ein Stück an ihnen vorbei zu fahren und ihnen dann im Busch entgegenzukommen. Bislang haben wir zwar schon Kudus, Hammerköpfe, wunderschöne Bergzebras, Springböcke, Giraffen, einen großen und wunderschönen Kampfadler und Orxye gesehen, aber noch nicht die wirklich seltenen Wüstenelefanten. Mervin hat der Ehrgeiz gepackt und er verspricht uns, die Elefanten zu finden. Und wirklich, es ist schon 10 Uhr, da sehen wir die Herde von bestimmt 10 Tieren. Sie ziehen langsam aber stetig den Kawakab River hinauf und legen dabei ein ordentliches Durchschnittstempo vor. Heute früh hatten wir sie und ihre frischen Spuren deutlich weiter südlich gesehen. Wüstenelefanten sind etwas kleiner als ihre nahen Verwandten in Etosha, dafür aber etwas angriffslustiger. In der trockenen Umgebung überleben sie, indem sie in trockenen Rivieren nach Wasser graben. Ihre Fußsohlen sind leicht verbreitert, was ihnen das Laufen in sandiger Umgebung erleichtert. Außerdem ist ihr Metabolismus auf die geringere Wasserzufuhr angepasst. Der Herde mit zwei herumalbernden Jungtieren folgt mit etwas Abstand ein einzelner Bulle. Ein Männchen lebt nicht im Herdenverband, folgt ihm aber stetig und stößt nur zur Paarung kurz dazu. Die Jungtiere setzten sich in eine der vielen großen Euphorbien, die dabei völlig zermalmt wird. Der giftige Saft der Pflanze schützt sie vor Ungeziefer. Von unserem Aussichtspunkt oberhalb des Flusses dauert es nur rund 20 Minuten bis die Tiere schon wieder außer Sichtweite gewandert sind. Wir fahren zurück zum Konzessionsgebiet und setzten unsere Pirschfahrt fort. Jetzt suchen wir die Löwen und versuchen anhand des Verhaltens der Zebras und Springböcke zu erkennen, ob sich außer uns noch weitere potenzielle Gefahren im Gelände befinden – ohne Erfolg. Wir fahren an den westlichen Rand des Konzessionsgebiets zum Aub River. Hier sind wir im Spitzmaulnashorn-Terrain. Es soll mehrere Hundert Tiere hier geben, Mervin gibt aber zu, selbst in zwei Jahren noch keines gesehen zu haben. Wir machen um 12:30 Uhr Rast unter einem großen Baum am Ufer des Flusses. Kurze Zeit später triff der Brite samt Frau in seinem mit Flammen bemalten Land Rover ein, den wir schon eine halbe Stunde zuvor unterwegs getroffen hatten. Er stellt sich als Guru und Aussteiger vor, der vor Jahren aus Wales nach Südafrika ausgewandert ist und jetzt von Beruf Lebenskünstler ist. Insgesamt eine Persönlichkeit, die sich nach 10 Minuten Gespräch leider als viel weniger interessant entpuppt als zuerst gedacht. Wir fahren nach einem ausgezeichneten Picknick weiter in den nördlichen Teil, ohne allerdings in Bezug auf Tiere sehr erfolgreich zu sein. Landschaftlich ist das Gebiet aber auch ohne Tiere sensationell. Als wir gerade schon den Glauben an Löwen und Nashörner aufgegeben haben, sichtet Mervin etwas am nahe gelegenen Berghang. Und beim Blick durch das Fernglas erkennen wir eine Tüpfelhyäne. Das ist nun wirklich eine Sensation – am helllichten Tag. Man trifft sie vielleicht mit Glück früh morgens und sieht sie im aufgehenden Tageslicht. Aber um 16 Uhr fast zur heißesten Zeit des Tages ist es im Grunde aussichtslos. Und der Hang ist geschätzte 150 bis 200 Meter von uns entfernt. Wie konnte Mervin das extrem gut getarnte Tier überhaupt mit bloßen Auge entdecken? Schon mit einem 500-mm-Tele gerät das Foto zum Suchbild. Er vermutet, dass das Tier kurz davor steht zu werfen und daher so ungewöhnlich tagaktiv ist. Es hat uns auch schon längst entdeckt und so fahren wir weiter, um es nicht unnötig zu stressen. Mervin erzählt uns von einer Begegnung mit einem Black Rhino, einem Spitzmaulnashorn, bei seinem vorherigen Arbeitgeber, einer privaten Lodge. Ein Tier kam völlig überraschend aus dem Busch und attackierte das Fahrzeug. Statt schleunigst zu verschwinden, war er wie in Trance und vom Ereignis so fasziniert, dass er stehen bleibt, bis das Tier gedreht hat und zurückkommt. Erst als es sein Horn durch die Beifahrertür schlägt und die Kühlbox durchlöchert, wird im die Gefahr bewusst und er gibt Gas. Neben einer Abmahnung durch seinen Chef und einer Strafzahlung hat ihm dies enormen Respekt vor diesen Tieren eingebracht. Wir haben den Eindruck, er ist gar nicht so traurig, dass wir keines gesichtet haben. Völlig unerwartet in dieser Landschaft erreichen wir, es ist schon 16 Uhr, den Aus Canyon. Der Fluss hat sich an dieser Stelle gute 10 Meter in das Gestein gegraben und fällt in kleineren Kaskaden in die Schlucht hinein. Eine tolle Szenerie. Weil wir nur noch eine Stunde Licht haben, machen wir uns auf den Rückweg. Nur einen Kilometer von der M128 entfernt treffen wir auf einen mit rotem Sand überzogenen, einsamen Elefantenbullen, der in der untergehenden Sonne steht und zwischen Euphorbien Gras frisst. Was für ein Abschlussbild eines spannenden Tages.

Zurück an der Lodge springt Mervin aus dem Wagen und ruft nur „Himba, Himba“ und rennt hinein. Kurze Zeit später kommt er wieder hinaus und fordert mich ganz aufgeregt auf, die Kamera mitzunehmen und die Himba zu fotografieren. Ich habe damit generell immer ein Problem, da ich den Menschen nicht den Eindruck geben möchte, dass ich sie und ihre traditionelle Lebensweise als spektakuläres Fotomotiv betrachte. Was es de facto für uns Europäer natürlich ist und gerade die Himba mit ihrer rot gefärbten Haut und den großen, athletischen Körpern und sehr schönen Gesichtern sind extrem fotogen. Als die Lodge-Angestellten, selbst schwarze Namibier, die Himba aber auch fotografieren, traue ich mich, einige Bilder zu machen. Die sieben Frauen und ein Mann sind aus dem Kaokofeld hierhergekommen, um sich Palmwag anzuschauen. Sie wurden nicht als Touristenattraktion eingekauft.

Unser Abendessen nehmen wir diesmal an der Bar des Pools zu uns. Atmosphärisch ist das sogar noch schöner als in der Lodge. Das Essen ist gut, aber natürlich nicht so gut wie am Abend zuvor.